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Was bedeutet und warum lieben wir den „Blauen Kaktus“?

Im Herbst 2019 fand einmal mehr die Veranstaltung „Kunst in Licher Scheunen“ statt. Karl Anton Koenigs, als Künstler seit Jahren vor Ort, realisierte in der Dippemühl’, zum ersten Mal eine begehbare, erlebbare Installation als Objekt der künstlerischen Begierde, eine Kneipe.

Er nannte sie „Zum Blauen Kaktus“.

Warum nannte er sie so? Ich weiß es nicht und weiß nur, dass er es selbst nicht wusste. Aber Koenigs wusste und ahnte, dass es hier gar nicht auf eine rationale Vorstellung, auf ein Beispiel aus irgendeiner Wirklichkeit ankam, sondern, dass der Reiz dieses Namens gerade in seiner Überwirklichkeit lag, in seiner surrealen Originalität.

Sein Grün hebt den Kaktus als einziges Lebenszeichen aus der bleichen Wüstenwelt Nevadas oder New Mexikos ab. Einen Kaktus auf die Farbe Blau zu taufen war ein künstlerischer Akt, der der souveränen Verachtung der Wirklichkeit entsprach, die etwa Salvatore Dali beanspruchte, wenn er auf seinen Bildern Uhren, die Inbegriffe der Ordnung, schmelzen ließ.

Wenn der Name „Der Blaue Kaktus“ also nichts bedeuten wollte, so bedeutete doch die surreale Namenswahl etwas sehr greifbares. Koenigs wollte von Anfang an, nicht nur aus antiquarischem Interesse, sondern aus künstlerischem Gestaltungswillen eine Kneipe auferstehen lassen. So lud er die Gäste bewusst an einen Ort ein, eine Kneipe, die er mit einer geglückten Formulierung als unverzichtbaren Platz im deutschen Seelenleben bezeichnete. So stellt er bewusst nicht gemütliche Trinkgelage in Aussicht, sondern lud an 13 Septemberabenden eine andere Band, einen anderen Künstler, einen anderen Literaten ein. Und so verkleidete er die Kneipe nicht nur mit alten Holz und allerlei Kunstwerken, sondern er öffnete in Fenstern auch Einblicke in das deutsche Seelenleben, indem er in ihnen Filme ablaufen ließ, auf deren Höhepunkte jenes deutsche Seelenlebens aus den 1960er und 1970er Jahren, der Jugendzeit der meisten Besucher, abgespielt wurden. Die Landung auf dem Mond, die Anschläge der RAF, die Weltmeisterschaft von 1990…

Dem Kneipenbesucher stockte immer wieder das Wort im Munde, wenn ihn diese Bilder, die ihm aus den Wänden der Kneipe entgegen sprangen, an unvergessliche Augenblicke der eigenen Vergangenheit erinnerten. Insofern übertreiben wir nicht, wenn wir feststellen, die Gäste liebten den „Blauen Kaktus“. Jeder Abend war überbucht und sie liebten ihn vielleicht um so mehr, wenn sie von einer weiteren surrealen Variante seiner Existenz hörten. Was Karl Anton Koenigs von vorn herein wusste ist, dass er diese mit so viel Liebe und Mühe inszenierte Komposition nach einigen Wochen wieder abbauen müsste. Und so leuchtet wohl ein, dass er, diesen rauschenden Erfolg vor Augen, dieses versprochenen Ende in Sicht, dass er sein surreales Experiment in einem letzten surrealen Ereignis gestalten will. Einen surrealistischen Film, mit dem Titel „Zum Blauen Kaktus – Der Film“.

Er wird von der Dauer von etwa 45 Minuten, laut vorliegendem Drehbuch, Szenen, Dialoge, Passagen des Kneipenlebens aneinanderreihen, die nicht rein dokumentarisch, sondern surrealistisch vor Augen führen, warum Karl Anton Koenigs zu Recht von einem unverzichtbaren Platz im deutschen Seelenleben sprach. Die wunderbare Kneipe wird im Frühjahr 2020 fallen. Wer sie liebte wird sie in diesem Film auf Dauer festgehalten sehen, als ein unvergessliches weil seelisches Erlebnis.

Dem Blauen Kaktus sei Dank!

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